„!Nie wieder“, diese Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers, haben Fußballfreunde 2004 aufgegriffen und den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ins Leben gerufen. Am 27. Januar 2004 wurde die Initiative in der Evangelischen Versöhnungskirche, KZ-Gedenkstätte Dachau, gegründet. Die Anregung kam aus Italien. Ein Bündnis aus Einzelpersonen, Fangruppen und Fanprojekten, Vereinen, Verbänden und Institutionen aus dem Fußball gedenkt seitdem der preisgegebenen Familienmitglieder und engagiert sich für eine würdige Gedenkkultur und für ein Stadion ohne Diskriminierung.
Als Erster Deutscher Meister, der dieses Jahr 130 Jahre alt wird, gehört auch und gerade die Beleuchtung der dunkelsten Stunden dieser langen Historie zu unseren wichtigsten Aufgaben. Die Opfer des Nationalsozialismus dürfen nicht vergessen werden, auch nicht bei uns. Umso wichtiger, dass sich besonders die Lok-Nachwuchsspieler mit diesem wichtigen Thema intensiv befassen. In bisher zwei Projekten haben sie zu den Schicksalen unserer jüdischen Vereinsmitglieder geforscht.
STOLPERSTEINVERLEGUNG VOR DEM STADION GEPLANT
Jugendspieler recherchieren Schicksal von ehemaligem jüdischen Trainer
Nachdem bereits im Jahr 2021 im Rahmen eines Trainingslagers erfolgreich die Schicksale der jüdischen Familie Rotter recherchiert und im vergangenen Mai die entsprechenden Stolpersteine verlegt worden waren, hat auch im Jahr 2022 der 1. FC Lokomotive Leipzig, Verein für Bewegungsspiele gemeinsam mit dem Erich-Zeigner-Haus e.V. ein Jugendprojekt zu Ausgrenzung und Diskriminierung im Sport während der NS-Diktatur durchgeführt. Im Zuge des Herbsttrainingslagers kombinierten die U15-Junioren des Lok-Nachwuchses den Sport mit zahlreichen Veranstaltungen zum Thema.
Nachdem im vorangegangenen Projekt vor allem die Verfolgung jüdischer Sportler in der Zeit des Nationalsozialismus in Leipzig Thema gewesen war, widmeten sich die 13 und 14 Jahre alten Kicker 2022 dem Schicksal eines ehemaligen Trainers unseres VfB Leipzig. Gyula Kertész war von 1932 bis 1933 Trainer des VfB und wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten in Deutschland aus dem Verein ausgeschlossen.
Die 20 Jugendlichen erarbeiteten neben Workshops zu den Themen Rechtextremismus und Antisemitismus einen Informations- und Spendenflyer mit ausführlichen Informationen über das Wirken des Trainers sowie dessen Vereinsausschluss und die Verfolgung durch das Nazi-Regime. In diesem Zusammenhang stellte der Besuch der ehemaligen Spielstätte des jüdischen Vereins SK Bar Kochba Leipzig in der Delitzscher Straße für die Nachwuchsspieler ein eindrückliches Erlebnis dar. Ein digitales Gespräch zu Menschenrechtsverletzungen und fehlenden demokratischen Werten rund um die WM in Katar mit dem Sportjournalisten Ronny Blaschke bildete den Abschluss des fünftägigen Bildungsseminars.
„Im Verlauf der Trainingswoche haben die Jugendlichen das Schicksal eines der namhaftesten Trainer, die damals in Deutschland arbeiteten, erforscht. Mit hochkarätigen Referenten haben sie außerdem das Phänomen des Rechtsextremismus, der Diskriminierung und Ausgrenzung im Fußball und in der Gesellschaft umfangreich besprochen, analysiert und einen lokalen Bezug zum Thema hergestellt. Das Projekt soll in diesem Jahr mit der deutschlandweit ersten Verlegung eines Stolpersteins vor einem Fußballstadion – unserem Bruno-Plache-Stadion – als letzte Wirkungsstätte von Gyula Kertész in Deutschland seinen Höhepunkt finden,“ so Jens Hirschmann, Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des 1. FC Lok und 2021 letzter Präsident des VfB Leipzig.
"Wir freuen uns, dass wir unseren Nachwuchssportlern wiederholt die Möglichkeit geben konnten, sich intensiv mit einem Teil unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Es freut mich, dass unsere Jugendlichen begeistert mitgearbeitet haben und Geschichte und Geschichten am reellen Beispiel, den damaligen Sportlern ihres Vereins, recherchieren konnten.“, so der Lok-Präsident Thomas Löwe.
Der 1. FC Lokomotive Leipzig als Erster Deutscher Fußballmeister setzt sich seit vielen Jahren mit seiner Geschichte während des Nationalsozialismus kritisch auseinander. Im Leitbild des Vereins heißt es u.a.: „Wir vermitteln Werte wie Loyalität, Respekt, Fairness und Toleranz. Wir üben Solidarität mit in Not geratenen Menschen und zeigen uns hilfsbereit gegenüber Benachteiligten. Wir treten aktiv und konsequent gegen jede Form von Diskriminierung auf.“
„Politik und Sport sind damals wie heute zwei Seiten derselben Medaille. Es ist daher wichtig für heutige Spieler, die Geschichte des Vereins zu kennen und daraus Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Wir unterstützen als Erich Zeigner Haus e.V. gern ein solches aufrichtiges Anliegen, die Verbrechen der NS-Diktatur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen,“ so der Geschäftsführer Henry Lewkowitz