Am 31. Mai 1970 erlebten 30.000 Zuschauer im Bruno-Plache-Stadion den Wiederaufstieg des 1. FC Lok in die Oberliga. Diese Kulisse ist die größte, die es jemals in der zweithöchsten Spielklasse der DDR gab. Einer, der damals auch dabei war, ist Udo Kiesewetter, in Fankreisen eher als UKW bekannt. Nachfolgend sein Bericht über die besondere Saison 1969/70 und ihren famosen Finaltag:
Nachdem der 1. FC Lokomotive Leipzig im Frühjahr 1969 erstmals aus der DDR-Oberliga in die zweitklassige Liga abgestiegen war, galt es in der Saison 1969/70 den unmittelbaren Wiederaufstieg zu erreichen. Dazu musste man in der zweigleisigen DDR-Liga (Staffel Nord und Süd) jedoch Meister werden. Doch das war leichter gesagt, als getan. Denn mit der BSG Wismut Gera hatte Lok einen Kontrahenten. So entspann sich von Anfang an ein Zweikampf um die Meisterschaft in der Staffel Süd. Bis zum ersten direkten Aufeinandertreffen am letzten Spieltag der Hinrunde im Dezember 1969 in Gera „marschierten“ beide Vereine fast im Gleichschritt an der Tabellenspitze und kaum einer leistete sich einen Ausrutscher. Das besagte erste Duell in Gera ging mit 3:1 an den Gastgeber und damit war die Wismut Herbstmeister.
Durch diese Niederlage war unsere Mannschaft wahrscheinlich so verunsichert, dass sie die nächsten beiden Spiele in Eisenach und in Zwickau (gegen die 2. Mannschaft von Sachsenring) ebenfalls verlor. Ergebnis: Fünf Punkte Rückstand auf Wismut Gera. Bei damals nur zwei Punkten für einen Sieg war das schon eine Menge Holz und der Aufstieg schien in weite Ferne gerückt zu sein. Das wäre umso tragischer gewesen, da einige unserer Leistungsträger (Frenzel, Löwe, Geisler, u.a.) bei einem Nichtaufstieg mit Sicherheit zu anderen Oberliga-Vereinen gewechselt wären.
Zum Glück verlor die BSG Wismut Gera aber auch mal wieder bzw. gewann nicht jedes ihrer Spiele und so schlossen wir langsam wieder auf. Vor dem letzten entscheidenden Spiel der Saison ergab sich folgende Konstellation: Wismut Gera hatte einen Punkt Vorsprung auf den FCL. Ein Unentschieden hätte ihnen also zur Meisterschaft und zum Aufstieg gereicht. Wir, der 1. FC Lok, mussten unbedingt gewinnen.
Als 10-jähriger Dreikäsehoch, der zu dieser Zeit bereits nach Probstheida zum Fußball ging, musste ich das Spiel natürlich sehen. Mit meinem 24er „Mifa“-Fahrrad fuhr ich von Holzhausen ins Bruno-Plache-Stadion. Ein riesiger Andrang herrschte vor und im Stadion. Einen Platz zu ergattern, bei dem man etwas sehen konnte, war nicht so einfach. So kletterte ich wie einige andere auf einen der Bäume hinter der Gegengerade, sah jedoch zuerst immer noch nichts. Der Versuch, noch höher in die Baumkrone zu klettern, ging dann leider vollends schief. Denn in ziemlicher Höhe rutsche ich ab und stürzte herunter auf den Boden. Unsanft angekommen rappelte ich mich wieder auf, ging hoch auf die Dammkrone, zwängte mich anschließend durch die Massen und erst nachdem ich mich bis ganz unten an die damals nur halbhohe Bande durchgeschlagen hatte, konnte ich etwas sehen. Das Spiel lief zu diesem Zeitpunkt schon geraume Zeit.
In der 44. Minute gab es auf meiner Seite einen Eckball für unseren 1. FC Lok. Dieser wurde herein gegeben, die Geraer wehrten den Ball kurz ab und aus dem Hintergrund an der Strafraumgrenze kam Jürgen Czieschowitz. Dessen straffer Schuss schlug zur Freude der Massen im Geraer Tor ein und so stand es unter unbeschreiblichem Jubel der Zuschauer 1:0. Dann war Halbzeit.
In der zweiten Halbzeit drückten die Geraer mit Vehemenz auf das Tor unseres 1. FC Lok, doch mit viel Glück und Geschick verteidigten wir dieses 1:0. Beim Abpfiff, der den Sieg und damit den Wiederaufstieg bedeutete, wurde von den offiziell angegebenen 30.000 Zuschauern (ewiger Rekord für ein Spiel der DDR-Liga) der Rasen gestürmt. Der kleine Udo Kiesewetter war mittendrin in diesem Trubel. Unsere Spieler wurden gefeiert und der Held des Tages war der Torschütze Jürgen Czieschowitz, ein absolut bescheidener und zurückhaltender Fußballer. In der folgenden Saison kam er dann kaum noch zum Einsatz und ein weiteres Jahr später verließ er den 1. FC Lok Leipzig. Er selbst und sein Tor in diesem wichtigen Spiel bleiben aber für alle Ewigkeiten unvergessen.
Durch den Sieg am 31. Mai 1970 gegen Wismut Gera folgte nicht nur der ersehnte Wiederaufstieg unseres 1. FC Lokomotive Leipzig in die DDR-Oberliga, sondern damit wurde auch der Grundstein für die späteren Erfolge des Vereins in den 70er und 80er Jahren gelegt.